Digital Pioneers: Maeck | Lehni | Boudry
Klaus Maeck, *195
Tanja Schwerdorf, *1979
Alles ist eins. Ausser der 0, Deutschland 2020
Dokumentarfilm, Farbe, Ton, Dauer: 90'
Mit Wau Holland und weiteren Mitgliedern des Chaos Computer Club (CCC) / Kamera: Hervé Dieu / Ton: Tino Selengia / Schnitt: Andreas Grützner / Sounddesign: Nico Berthold / Musik: Alexander Hacke / Produziert von Interzone Pictures / Vertrieb Neue Visionen, Berlin
Courtesy Klaus Maeck
Dieser künstlerische Dokumentarfilm zeichnet das Porträt von Computerpionieren und Hackern in Europa. Am Anfang der Hackerkultur stand einer der ersten digitalen Bürgerrechtler: Herwart Holland-Moritz aka Wau Holland. Er gründete 1981 mit einer Handvoll Mitstreitern den Chaos Computer Club. Der CCC wurde durch seine spektakulären Hacks und spätere Zusammenarbeit mit/gegen den Geheimdienst weltberühmt. Er glaubte, dass Maschinen und Technologie eine Praxis des ungehinderten sozialen Dialogs ermöglichen würden, und sah in der Digitalisierung ein Instrument zur Schaffung von sozialem Zusammenhalt. Heute, rund 40 Jahre nach seiner Gründung, mögen die Visionen des CCC über die Computertechnologie utopisch erscheinen, bleiben aber wichtig. Ihr kreativer Spielraum wurde als unendlich betrachtet, Gewinnmaximierung war kein Ziel, Datenschutz jedoch schon. Der Film dient als «Punk-Porträt» idealistischer Computerpioniere und erzählt nebenbei grosse Zeitgeschichte: vom Kalten Krieg, vom Fall der Berliner Mauer, von den Hippies bis hin zu den ersten Konturen der Informationsgesellschaft.
Weitere Lektüre:
Podcast: Eine DIGILAB-Debatte zwischen Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf, moderiert von Cathérine Hug
Tracks - Spezial Hacker: Klaus Maeck / Ubermorgen / Keycaps Artisans | ARTE
Jürg Lehni, *1978
Four Transitions, 2020
15 Flip-Dot-Module (21×35 Pixel), 2 LCD-Module (52×72 Pixel), 6 LED-RGB-Module (32×48 Pixel), 1 24"-TFT-Display-Modul (1200×1920 Pixel), Massgefertigte Controller, Software und Hintergrund-beleuchtung, 4 Mikrocomputer, Internetverbindung
Erworben 2024, Medienkunstsammlung, Kunsthaus Zürich
Ursprünglich für die Sammlung HeK (Haus der elektronischen Künste Basel) konzipiert, als Schenkung der Christoph Merian Stiftung, und mit Alex Rich, Urs Lehni, Arno Schlipf und Bruno Thurnherr entwickelt.
«Four Transitions» ist eine Arbeit über das Vergehen der Zeit, bestehend aus vier speziell angefertigten Displays, die jeweils eine technologische Ära repräsentieren: Flip Dots, LCD (Flüssigkristallanzeige), LED (Leuchtdiode) und TFT (Dünnschichttransistor). Alle beruhen sowohl auf physikalischen als auch auf elektronischen Prinzipien, wobei die ältesten Flip Dots ganz links offensichtlich die «mechanischsten» sind. Jeder Bildschirm benötigt eine Minute, um die aktuelle Zeit anzuzeigen. Das Werk funktioniert wie eine unkonventionelle Uhr, die in Echtzeit über das Internet mit der Zeitangabe verknüpft ist.
In der Vergangenheit waren diese Art von Bildschirmen im öffentlichen Raum allgegenwärtig, um regelmässig wechselnde Informationen zu aktualisieren. Doch erst mit ihrem Verschwinden und der Verlagerung ins Museum werden ihr einzigartiger Charakter und ihre visuellen Qualitäten sichtbar. Diese Arbeit feiert die ästhetischen Besonderheiten jeder dieser Technologien und erinnert uns daran, wie schnell sie überflüssig werden können.
Jürg Lehni, *1978
Apple Talk, 2002/2007
Macintosh Computer, Mikrofone, Text-to-Speech und Spracherkennungssoftware
Courtesy Jürg Lehni
Eine erste Version wurde unter dem Titel Analog Information 2002 von Jürg Lehni im Rahmen eines Projektes an der ECAL mit Franz Hoffman, Pierre Terrier und Jerome Rigaud geschaffen. Eine neue Version entstand 2007 als Apple Talk für die Show Man-[in the]-Machine im ZKM, Karlsruhe. / A first version was created under the title Analog Information in 2002 by Jürg Lehni as part of a project at ECAL with Franz Hoffman, Pierre Terrier and Jerome Rigaud. A completely new version was created in 2007 as Apple Talk for the show Man-[in the]-Machine at the ZKM, Karlsruhe.
Die Installation besteht aus Computern, die nur über Lautsprecher und Mikrofone verbunden sind und miteinander «sprechen». Einer davon beginnt unter Anwendung der Macintosh Text-to-Speech-Sprachsynthese mit dem Vorlesen eines Satzes aus einer vom
Künstler gelieferten Liste. Der andere übersetzt die gesprochenen Worte mit Hilfe der Software Phillips iListen zurück in Schrift, die Worte erscheinen Schritt für Schritt am Bildschirm. Dieser Text wird wiederum vom ersten Computer transkribiert und vorgelesen. Der Prozess ist vergleichbar mit dem «Telefonspiel», bei dem Nachrichten von einer zur nächsten Person geflüstert wurden, wobei sich die Bedeutung in einer nicht enden wollenden Kette von Missverständnissen änderte.
Der tägliche Sprachgebrauch legt nahe, dass wir kommunizieren, weil wir einander verstehen wollen. Dennoch kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Hier setzt Apple Talk an: Es sieht eine ästhetische, dadaistisch anmutende Kraft in abweichender Sprachproduktion. Die Fehler, die dabei entstehen, sind unvorhersehbar, ohne erkennbare Logik und oft unfreiwillig komisch.
Pauline Boudry, *1972
Brigitta Kuster, *1970
Renate Lorenz, *1963
Copy me – i want to travel, Deutschland und Bulgarien 2004
Dokumentarfilm, Farbe, Ton, Dauer: 68'
Kamera, Ton, Schnitt: Brigitta Kuster, Renate Lorenz / Musik: Linda Wölfel, Pauline Boudry / Montage: Kathrin Brinkmann / Produktion: Renate Lorenz medienproduktion & ZDF / arte
Courtesy Pauline Boudry und Renate Lorenz
Der Kunst-Dokfilm «Copy me – i want to travel» rekonstruiert Bruchstücke der bulgarischen Geschichte, welche die allgemeine Geschichtsschreibung zu Unrecht ignorierte. Mit Interviews von Menschen, die für die Computerindustrie gearbeitet haben, und einem Fokus auf Pravetz II, der bulgarischen Kopie des amerikanischen Apple II. In den 1980ern wurde dieses Westprodukt demontiert und als Ostprodukt unter dem Namen Pravetz neu zusammengebaut. Im Kommunismus sollte diese Kopie erfolgreiches Massenprodukt werden, das den Westen übertrumpft. In dieser Produktionslinie kam den Frauen eine besondere Rolle zu. Nach 1989, im Übergang zum Kapitalismus wurde dieser PC dann auch zur Herstellung von Viren verwendet, die sich erstmals weltweit auf Computern verbreiteten.
Hier begeben sich drei Filmemacherinnen und drei Computerspezialistinnen auf eine Recherchereise mit Begegnungen mit Plamen Vachkov, dem ehemaligen Direktor der Pravetz-Fabrik, mit Maria Petrova, die Proteste wegen unbezahlter Löhne organisierte, und Vesselin Bontchev, dem Jäger des berüchtigten Virenprogrammierers Dark Avenger.