Nora Turato – and then they say it's true
Das Kunsthaus Digilab präsentiert sein neustes Kunstwerk im digitalen Raum, eine neue Videoarbeit der in Amsterdam lebenden kroatischen Künstlerin Nora Turato (*1991).
Turatos Projekt für das Digilab integriert Auszüge aus ihrer jüngsten Performance-Skript «what is dead may never die» in ein mehrteiliges Video. Animierte, längliche eiförmige Formen (oder «Münzen», wie die Künstlerin sie nennt) hüpfen über den Bildschirm, fallen herab und plumpsen ineinander, als ob sie in einer Choreographie den Gesetzen der Physik folgen würden. In jedem Segment des Videos sind die Formen an einer Vielzahl unterschiedlicher Aktionen beteiligt, während Turato einen Monolog spricht, der aus Auszügen und Sätzen von ganz unterschiedlichen Quellen zusammengestellt wurde. Die gesammelten Sprachfragmente entnimmt Turato den alltäglichen Banalitäten aus SMS-Konversationen, Clickbait-Schlagzeilen, Memes, Werbung oder Lebensmittelverpackungen, um nur einige zu nennen. Die Wahl des Materials beruht auf einer intuitiven Auswahl und nicht einer vorgefassten Idee von Wert oder Hierarchie - jeder Satz ist gleichwertig, unabhängig woher er stammt.
Turato verwendet in ihren Werken immer wieder starke, wiedererkennbare grafische Elemente, die sowohl Aufmerksamkeit erregen als auch eine unmittelbare Vertrautheit hervorrufen. Hatte sie sich zuvor an klar identifizierbaren Bildern wie Warnhinweisen auf Zigarettenverpackungen oder den aus der Bürokultur berüchtigten Venn-Diagrammen inspiriert, so verweist Turatos Projekt für das Digilab auf Meditationsvideos auf Youtube oder Atem-Apps wie «Headspace». Diese Programme und Clips, in denen einfach animierte Bilder mit Voice-Overs kombiniert werden, sollen eine hypnotische, beruhigende Wirkung auf die Betrachter haben (die Ironie liegt darin, dass genau diese Tools, die uns helfen sollen, abzuschalten, von uns verlangen, dass wir uns auf der Suche nach einem «höheren Bewusstseinszustand» weiter mit unseren Bildschirmen beschäftigen). Turato ahmt diese Kompositionen nach, indem sie ihre Formen im Einklang mit ihrem Skript bewegt und morpht. Dabei denkt sie darüber nach, wie man einen digitalen Raum nutzen und ihm eine Körperlichkeit verleihen kann.
Der Kern von Turatos Arbeit liegt in ihrer Erforschung von Sprache - wie sie im Kreislauf der uns ständig zur Verfügung stehenden Informationen funktioniert, welche kollektive Beziehung und was für ein Verständnis wir davon haben. Ihre künstlerische Praxis deckt eine große Bandbreite an Ansätzen ab und umfasst Performance, Wandmalereien, gedruckte Medien, Videos und Künstlerbücher. Zuletzt präsentierte Turato im MoMA in New York «what is dead may never die». Es handelte sich um ihre erste grosse institutionelle Ausstellung in Nordamerika, die sich über drei Wochen erstreckte. Anlässlich der Ausstellung erschien «pool 5» - der fünfte Band einer Reihe von jährlich im Selbstverlag erscheinenden Büchern mit den von Turato gesammelten Text- und Phrasensammlungen, die die Grundlage für weitere Aspekte ihrer Praxis bilden.
Nora Turato (*1991 in Zagreb geboren) lebt und arbeitet in Amsterdam. Zu den jüngsten Ausstellungen gehören «pool 5», MoMA, New York (2022); «ri-mEm-buhr THuh mUHn-ee», Secession, Wien (2021); «That's the only way I can come», MASI, Lugano (2020); «Eto Ti Na», MGLC, Ljubljana (2020); «MOVE2020», (kuratiert von Caroline Ferreira), Centre Pompidou, Paris (2020); «what do you make of this? Haben Sie sich das ausgedacht? », Sammlung Philara, Düsseldorf (2020); «Someone Ought to Tell You What It's Really All About», Serralves Museum für zeitgenössische Kunst, Porto (2019); «Explained Away», Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz (2019).
Turato nahm in wichtigen Gruppenausstellungen teil, u.a. «INFORMATION (Today)», Astrup Fearnley Museet, Oslo (2022) und Kunsthalle Basel (2021); «Post-Capital: Art and the Economics in the Digital Age», MUDAM, Luxemburg (kuratiert von Michelle Cotton) (2021); «The Dreamers», 58. Oktobersalon, Belgrad Biennale (kuratiert von CURA) (2021); «Wild Frictions: The Politics and Poetics of Interruption», Cincinnati Contemporary Art Center und Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, (beide 2021); «It's Urgent! », Luma Westbau, Zürich (kuratiert von Hans Ulrich Obrist) (2020); Manifesta 12, Palermo (2018).
Bildlegende:
Nora Turato
fight the system, cerebral, visually striking, offbeat, 2021
Courtesy of the artist und Galerie Gregor Staiger, Zürich