Freie Sicht aufs Mittelmeer. Junge Schweizer Kunst mit Gästen und Gastmahl
05.06.1998 – 30.08.1998
Kuratiert von Bice Curiger.
Ausstellungsort Pfister-Bau (Grosser Ausstellungssaal, ehem. Bührlesaal).
Kuratiert von Bice Curiger.
Ausstellungsort Pfister-Bau (Grosser Ausstellungssaal, ehem. Bührlesaal).
Überwindung des Gerüchts von der Introvertiertheit und Vereinzelung der Schweizer Kunst.
«Entstanden ist in den vergangenen Jahren ein dichtes Netz von Aktivitäten und gegenseitiger Aufmerksamkeit, von vielfächrig aufgesplitterten Vermittlungsarten. Verzogen hat sich vor allem das Gerücht von der Introvertiertheit und Vereinzelung der Schweizer Kunst», fasst Bice Curiger in ihrem Einführungstext im Katalog die Künstlerszene zusammen, die sie darin präsentiert. Juri Steiner weist darauf hin, was es mit dem auf Anhieb poetisch klingenden, unkonventionellen Ausstellungstitel auf sich hat: Er beziehe sich auf die Parole, die im Umfeld der Jugendunruhen von 1980 kursierte: «Nieder mit den Alpen – Freie Sicht aufs Mittelmeer!». Die Aufbruchstimmung der «Bewegung» stehe im Ausstellungskontext als Metapher für «die horizontale Perspektive. Sie bietet Gelegenheit, den vertikalen Mythos Schweiz flachzulegen. Obschon die Schweizer seit jeher mit Beharrlichkeit an der ‹Freien Sicht aufs Mittelmeer› gearbeitet haben, zuerst mit Saumpferden, dann mittels Gotthardpost, Eisenbahntunnels und schliesslich Autostollen, sind sie doch eher ein Volk von Brückenbauern».
Am Beginn einer dank des Internets global vernetzten Welt wurde den hellsichtigen Kuratoren bewusst, vor welchen Herausforderungen sie standen, als sie eine vermeintlich «schweizerische» Kunstszene vorstellten, die es im internationalen Kontext so gar nicht mehr geben konnte. Ihr origineller, unkonventioneller Ansatz liess sich aktiv auf diese Schwierigkeit ein und wurde weitestgehend bewältigt, nicht allein im Überwinden nationaler und historischer Grenzen sondern auch räumlicher innerhalb des Museums selbst: Die Ausstellung breitete sich im gesamten Haus aus und drang in die historischen Bestände. So fand man etwa Sylvie Fleurys Pelzraketen in erfrischend provokativer Konfrontation mit Johann Heinrich Füsslis dunkler Proto-Romantik. Die lokale wie internationale Presse schenkte der Ausstellung grosse Aufmerksamkeit. Dabei sticht die Kritik des renommierten Professors der Kunstgeschichte, Arthur C. Danto, heraus, der mit seinem Bestseller Kunst nach dem Ende der Kunst (1996) international Furore machte, und über diese Ausstellung schrieb: «The only obvious depiction of the Alps connected with this show – brilliantly curated by Bice Curiger – ist the photograph of peaks surrounded by clouds on the catalogue’s cover. This brings brings us to the title, which may be the show’s main Swiss reference. […] Razing the Alps is a metaphor for changing national identity […] but this nonnegotiable demand is also pure Dada. […] we are all Swiss if Dada is Swiss. But that means Swiss art is no more Swiss than contemporary art anywhere. The art world is today the Cabaret Voltaire at large.» (in: Artforum, Oktober 1998). Freie Sicht aufs Mittelmeer, die grosse Überblicksschau «junger Schweizer Kunst mit Gästen und Gastmahl» – wurde staatstragend von Bundespräsident Flavio Cotti eröffnet. Zehn Jahre später nahm sich die Kuratorin Mirjam Varadinis der gleichen Herausforderung an, unter dem Titel Shifting Identities. (Swiss) Art Now (06.06.-31.08.2008), eine Bestandesaufnahme über die zu dieser Zeit aktuelle Schweizer Kunstszene zu machen. Diese Ausstellung war vom 6.10. bis 22.11.2008 auch in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen.
[Cathérine Hug]
«Metapher für die horizontale Perspektive. Sie bietet Gelegenheit, den vertikalen Mythos Schweiz flachzulegen.»
86 Tage
99 Künstler:innen
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