Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800
11.02.1983 – 30.04.1983
Kuratiert von Harald Szeemann und Toni Stooss.
Ausstellungsort Pfister-Bau (Grosser Ausstellungssaal, ehem. Bührlesaal).
Kuratiert von Harald Szeemann und Toni Stooss.
Ausstellungsort Pfister-Bau (Grosser Ausstellungssaal, ehem. Bührlesaal).
Konzeptuell war die Ausstellung nicht einfach eine Erweiterung von Richard Wagners Verständnisses auf andere Epochen und Disziplinen, sondern schwärmte durchaus kritisch aus, nahm die Dialektik von Totalkunst und Totalitarismus in die Reflexion auf, und zeigte das typisch Europäische, das in dem Konzept verankert ist, auf.
«Das Ganze geben, den Zusammenhang mit dem Universum aufdecken oder ein geballtes Universum realisieren zu wollen, ist nur ein Hang, ein Bekenntnis, eine Obsession, ein Destillat aus Kunst und Erlösungswunsch. Das Gesamtkunstwerk gibt es nicht.» So führt der Kurator Harald Szeemann im 512-seitigen Ausstellungskatalog den Begriff des «Gesamtkunstwerks» ein, der nicht einer gewissen Komplexität entbehrt. Wenig später knüpfte der Kurator natürlich auch bei Richard Wagner an, dem berühmten Komponisten, der den Begriff 1850 in seinen Zürcher Schriften erstmals geprägt hatte. Konzeptuell war die Ausstellung jedoch nicht einfach eine Erweiterung dieses Verständnisses auf andere Epochen und Disziplinen, sondern schwärmte durchaus kritisch aus, nahm die Dialektik von Totalkunst und Totalitarismus in die Reflexion auf und zeigte das typisch Europäische auf, das in dem Konzept verankert ist, auf. Die Ausstellung wurde von alt Bundespräsident Walter Scheel feierlich eröffnet, neben zahlreichen berühmten Künstlern wie Joseph Beuys und Markus Raetz war auch der deutsche Altbundeskanzler Helmut Schmidt unter den Gästen. Die Rezeption der Ausstellung in der Presse fiel heterogen aus, was angesichts der hohen Ansprüche des Kurators und seiner Katalogautoren (darunter Bazon Brock und Jean Clair) nicht weiter überrascht, denn Thesen dieser Komplexität beanspruchen viel Zeit zur Rekapitulation, die Journalisten in aller Regel nicht zusteht. Eine Rezension sticht dabei besonders hervor, da sie einen Verriss Schwergewichts der hiesigen Kunstszene – Max Bill – darstellt und die grosse Leistung dieser Ausstellung verkennt: rund 300 hochkarätige Exponate aus den unterschiedlichsten Disziplinen von zahlreichen Leihgebern so in assoziative Geschichten zu verweben, dass der gemeinsamen Nenner also das grössere Ganze und dabei auch verbindend Europäische nachvollziehbar wird (ZüriWoche, 12.02.1983).
Formal verdeutlichte diese Ausstellung systematisch, dass Kunstwerke nicht autonom, sondern immer in einem grösseren Entstehungszusammenhang eingebettet sind und dementsprechend installativ, also räumlich gestaltet vermittelt werden müssen. Heutzutage ist «Installationskunst» ein etablierter Begriff, damals wurde dieser lediglich einzelnen Künstlern, etwa Kurt Schwitters oder Joseph Beuys zugeordnet. Die wegweisende Ausstellung, welche zu den legendärsten aus Szeemanns Küche gehört, reiste nach Zürich in die Kunsthalle Düsseldorf sowie ins Museum des 20. Jahrhunderts in Wien. Mit 67'386 Eintritten lag der Besucherandrang im Mittelfeld (die Ausstellung zu Ferdinand Hodler im selben Jahr etwa verzeichnete 163'380 Eintritte). Zur Ausstellung gab es auch ein umfangreiches, vorwiegend musikalisches Veranstaltungsprogramm unter anderem mit dem viel beachtete Auftritt von Laurie Anderson im Volkshaus Zürich.
[Cathérine Hug]
Eine «einzigartige europäische Idee», die hoffentlich die Diskussion über die kulturelle Einheit Europas anregt und den Wunsch nach einem in Freiheit und Frieden vereinten und nicht «verwalteten» Europa stärkt.Walter Scheel
78 Tage
48 Künstler:innen
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