Francis Bacon

27.10.1962 – 25.11.1962
Ausstellungsort Kunsthaus.
Gequälte Körperlichkeit bei Francis Bacon
Das Kunsthaus widmete dem irisch-britischen Maler (*1909 Dublin, †1992 Madrid) eine erste grosse monografische Ausstellung mit 78 meist lebensgrossen, zwischen 1930 und 1962 entstandenen Gemälden – acht Jahre nachdem Bacon mit dem Bespielen des britischen Pavillon an der Biennale in Venedig erstmals ausserhalb seines Heimatlands in Erscheinung getreten war. 1953 hatte die Tate Bacons skandalumwobenes Triptychon «Drei Studien zu Figuren am Fusse einer Kreuzigung» (1944) angekauft. Das heute als epochal eingestufte Werk mit drei aggressiven Monstren, halb Mensch, halb Tier, vor orangen Hintergrund, war auch in der Zürcher Ausstellung zu sehen. Eduard Hüttinger, Konservator am Kunsthaus, begründete in seinem Katalogtext die Wahl Francis Bacons mit einem Informationsbedürfnis. So solle das Menschenbild aufgezeigt werden, das auch bei Henry Moore und Graham Sutherland – beide waren im Kunsthaus gezeigt worden – wieder eine Rolle spiele. Hüttinger attestierte Bacon einen Umgang mit zeitgenössischer Wirklichkeit, die «dokumentarisch scharfe Erlebnisqualität» aufweise. Im Text ist meiner Meinung nach zwischen den Zeilen ein Unwohlsein zu verspüren, denn Bacons aggressive Körperlichkeit und unverhohlene Schilderung von Homosexualität wird dabei genauso umschifft wie seine konfliktgeladene Beziehung zu seinem Geliebten Richard Dyer. Die Weltwoche versuchte Bacon als Manieristen darzustellen, dem zwar eine gewisse Begabung zugesprochen wird, aber keine Relevanz («Es ist müssig, Bacon interpretieren und dadurch einem breiten Publikum nahebringen zu wollen»). Auch der Tages-Anzeiger beurteilte die Ausstellung ablehnend («Existenznot als moderne Pose»). Diese zeitbedingte Ablehnung hat nicht verhindert, dass Bacon heute als einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts gilt. Gerade Bacons Umgang mit dem Körper gilt heute eben nicht mehr nur als theatralische Pose, sondern als authentischer Ausdruck des Künstlers, der an sich und seiner Zeit leidet. Richard Häsli, Kunstredaktor der NZZ, erkannte allerdings Bacons Bedeutung. So schrieb er zwar, dass die Ausstellung einem Schreckenskabinett gleiche, das den Betrachter erbarmungslos mit unheimlichen Visionen konfrontiere. Doch bemerkte er hellsichtig: «Der suggestiven Macht, dem enormen Sog der Bilder kann man sich jedenfalls nur schwerlich entziehen». Laut dem Rezensenten gebe es neben Bacon nur noch einen anderen Künstler, der ihn ähnlich überzeuge: Alberto Giacometti.
[Peter Stohler]
Gerade Bacons Umgang mit dem Körper gilt heute eben nicht mehr nur als theatralische Pose, sondern als authentischer Ausdruck des Künstlers, der an sich und seiner Zeit leidet.

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