Tomi Ungerer. INCOGNITO

30.10.2015 – 07.02.2016
Kuratiert von Cathérine Hug.
Provokateur, Erotomane, Weltbürger, Geschichtenerzähler: Tomi Ungerer
Die von Cathérine Hug kuratierte Ausstellung warf einen neuen Blick auf den polyglotten Elsässer Jean-Thomas «Tomi» Ungerer (1931 Strassburg–2019 Cork), den man als lllustrator, Zeichner, Grafiker und Kinderbuchautor kennt. Zu sehen waren 160 bisher kaum gezeigte sozialkritische Collagen sowie Zeichnungen und Plastiken aus rund 60 Jahren. Obwohl Ungerers Collagen in der Regel nicht so einfach einzuordnen sind, ist der erotische, aus heutiger Sicht eher irritierende Blick als Mann auf die Welt eindeutig: In der Collage «Untitled» von 2013 macht sich der offene Mund eines muskulösen Schwimmers über eine mit gespreizten Beinen auf einer Luftmatratze liegende nackte Frau her. «Journey’s Last Leg» (2005) ist ambivalenter: Ein Beinamputierter humpelt an drei gigantischen, in den Himmel ragenden Frauenbeinen entlang durch eine zerbombte Stadt (2005). Ungerers erotische Werke (z. B. Zeichnungen für die Publikation «Fornicon» von 1971, in den USA jahrzehntelang verboten) sorgten noch 1981, während der in Europa tourenden Retrospektive, für einen Skandal. Seine Herkunft aus dem umkämpften, kulturell zwischen Frankreich und Deutschland hin- und hergerissenen Elsass prägte Ungerer und machte ihn für Identitätsfragen und das «Weder-Noch» offen; später sollte er sich als «Chamäleonist» bezeichnen. In den 1950er Jahren wanderte Ungerer nach New York aus. Das kreative Zentrum der Nachkriegswelt wird gerne auch als «collage city» bezeichnet (vgl. Architekturtheoretiker Colin Rowe), und Collage war das Medium, das sich Ungerer mit grosser Virtuosität aneignete. Obschon ein althergebrachtes Medium, ermöglichte die Collage den Ausbruch aus einer gewissen Strenge und etablierten Ordnung, was sie daher für Künstler insbesondere in der Nachkriegszeit beliebt machte: Die Dekonstruktion des Bestehenden verlieh das Gefühl der Selbstermächtigung, und Neues aus Altem zusammenzusetzen ermöglichte intellektuellen Biss mit wenig Aufwand. Ungerer war eher selten in Kunstmuseen zu sehen; das Kunsthaus leistete mit dieser monografischen, anschliessend im Museum Folkwang Essen zu sehenden Ausstellung Pionierarbeit – dies nur wenige Jahre vor Ungerers Tod. Als Hauptleihgeber traten der Künstler auf, der bei der Werkauswahl mitredete, das Musée Tomi Ungerer – Centre international de l’illustration (Strasbourg) und die Sammlung Würth (Künzelsau). Begleitet wurde die breit rezipierte Ausstellung von einer 400 Seiten umfassenden Publikation aus dem Diogenes-Verlag mit lesenswerten Textbeiträgen in drei Sprachen.
[Peter Stohler]
Obschon ein althergebrachtes Medium, ermöglichte die Collage den Ausbruch aus einer gewissen Strenge und etablierten Ordnung, was sie daher für Künstler insbesondere in der Nachkriegszeit beliebt machte: Die Dekonstruktion des Bestehenden verlieh das Gefühl der Selbstermächtigung, und Neues aus Altem zusammenzusetzen ermöglichte intellektuellen Biss mit wenig Aufwand.

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